Waldbrandbekämpfung

Im Ernstfall alles nach Plan

Ein Artikel von Georg Heinz, Bezirksförster Bezirksforstinspektion Neunkirchen, Niederösterreich | 07.05.2024 - 09:45
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Waldbrand im Großen Föhrenwald © Bezirksfeuerwehrkommando Neunkirchen

Eine forstliche Besonderheit in der Kulturlandschaft des Alpenostrandes und des südlichen Wiener Beckens sind ausgedehnte Schwarzföhrenwälder, die zumeist auf seichtgründigen Standorten stocken. Das Klima ist pannonisch geprägt. Auch ohne Klimawandel sind für diese Landschaft ein früher Vegetationsbeginn, hohe Sommertemperaturen und lang anhaltende Trockenperioden typisch. Mehrere Fakten erhöhen hier das Waldbrandrisiko und machen eine Vorbereitung für den Ernstfall unerlässlich.
Für die Bevölkerung der städtischen Ballungsräume von Ternitz über Wiener Neustadt bis Baden und Mödling sind die Föhrenwälder ein wichtiges Naherholungsgebiet. Ein dichtes Netz an touristischer Infrastruktur lockt zusätzlich viele Besucher aus der Bundeshauptstadt an. Durch Altlasten in der Raumplanung gibt es eine enge Verzahnung von Wald mit menschlicher Infrastruktur (Wohnsiedlungen, Schulen, Straßen, Autobahnen, Südbahn), auch als „wildland-urban-interface“ bezeichnet. Diese Fakten begründen, warum die Universität für Bodenkultur (BOKU) in einer Risikoanalyse dem südlichen Niederösterreich ein außergewöhnlich hohes Waldbrandrisiko bescheinigt.

In diesem aus forstlicher Sicht herausfordernden Gebiet gibt es zwei Waldbrand-„Hotspots“, die alle Betroffenen seit Jahrzehnten stark beschäftigen: Eine Fläche in der Gemeinde Sankt Egyden am Steinfeld, die mit Munitionsrelikten (Phosphormunition) aus dem Zweiten Weltkrieg belastet ist, und Flächen auf dem schon seit der Monarchie bestehenden Truppenübungsplatz Großmittel im Bezirk Wiener Neustadt. 
Auf Betreiben der Forstabteilung der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen wurde deshalb bereits 2007 zur Waldbrandbekämpfung im Großen Föhrenwald bezirksübergreifend der Waldfachplan „Einsatzplan Föhrenwald“ erstellt. Zwischenzeitlich gibt es durch den Waldfonds des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft (BML), die Möglich­keit Einzelinitiativen großflächig zu koordinieren und zu fördern.

Von der aktuellen Planung werden Waldflächen der Verwaltungsbezirke Baden, Neunkirchen, Mödling, Wiener Neustadt sowie der Statutarstadt Wiener Neustadt umfasst. Ein Waldbrand kennt naturgemäß keine Verwaltungsgrenzen, daher ist es notwendig „taktisch zusammengehörende Geländeteile“ gemeinde- und bezirksübergreifend zu beplanen. 
Durch den Landesforstdienst wurde ein Pflichtenheft erarbeitet, um für die notwendige Ausschreibung eine gute Vergleichbarkeit der Angebote und einen einheitlichen Standard bei der Ausführung sicherstellen zu können. Letztlich wurden sieben Projekte nach einheitlichen Planungsvorgaben des Landesforstdienstes bewilligt und in Angriff genommen.

Wozu dient ein Professioneller Einsatzplan? 
Für eine erfolgreiche Waldbrandbekämpfung spielt der Faktor Zeit eine große Rolle. Es ist wichtig, möglichst rasch Einsatzkräfte und Wasser für den Löschangriff vor Ort zu bringen. 
Der Einsatzleiter der Feuerwehr wird von der örtlichen Feuerwehr gestellt. Jeder Einsatzleiter hat mit dem Einsatzplan sofort eine professionelle Arbeitsunterlage zur Verfügung, die als Lagekarte verwendet werden kann. Die sogenannte „Chaosphase“ des Einsatzes kann dadurch verkürzt werden. Der Einsatzplan ist eine wichtige Orientierungshilfe für ortsfremde Einsatzkräfte und unterstützt das rasche und gefahrlose Nachführen von Kräften. Eingesetzte Kräfte müssen speziell bei einer komplexen Waldbrandlage auch immer an die Eigensicherung denken. Waldbrände entwickeln oft eine eigene Dynamik, zum Beispiel eine unkontrollierte Ausbreitung durch „springende“ Flugfeuer (Spotfire). Die Einsatzkarte unterstützt beim Orientieren im Gelände, der Löschangriff geht rascher und vor allem sicher vonstatten. 

Alle beteiligten Einsatzorganisationen, deren Führungsstäbe, und eine etwaige behördliche Einsatzleitung arbeiten mit einheitlichen Planunterlagen, die ein Koordinatensystem beziehungsweise ein Suchraster vorgeben. Missverständnisse bei der Zusammenarbeit werden dadurch ausgeschlossen. 
Ein großflächig erstellter Einsatzplan kann auch Landesleitstellen von Einsatzkräften (Polizei, Rettungsdienste) digital zur Verfügung gestellt werden und erleichtert die Kommunikation mit den Disponenten, beginnend mit der Alarmierung beziehungsweise Lokalisierung des Feuers. Anpassungen an die jeweiligen Bedarfsträger – etwa eine spezielle Karte für Flugdienst, Polizei oder Rettungsdienste – sind auf GIS-Basis möglich.

Ein weiterer positiver Nebeneffekt bei Erstellung von Einsatzplänen: Durch die Planung beschäftigen sich die Wehren mit der vorhandenen Infrastruktur, erkennen Mängel und können Verbesserungen anstoßen. Da im Großen Föhrenwald aufgrund der Topografie und der gleichförmigen Bestandesbilder die Orientierung extrem schwierig ist, wurden im Zuge der Erstellung des Waldfachplanes 2007 Hinweistafeln mit Wegnamen aufgestellt. Diese Orientierungshilfen für die Einsatzkräfte haben sich sehr bewährt, Hinweistafeln zur Kenntlichmachung von Karteninhalten in der Natur (Forststraßennamen, Bereitstellungsräume, Lotsenpunkte...) sind deshalb auch in der aktuellen Planung vorgesehen.

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Ausschnitt des fertigen Einsatzplans vom Großen Föhrenwald © Stefan Mayerhofer

Von der Datenerhebung zum fertigen Einsatzplan
Alle notwendigen Planinhalte wurden durch die beteiligten Bezirksfeuerwehrkommandos in mehreren Planungsbesprechungen erarbeitet. Dabei wurden nicht nur die Inhalte der Einsatzpläne festgelegt, sondern auch das Blattformat, das Kartenbild (Symbolik der Objekte, Hintergrund, Farbgestaltung, Maßstab...) sowie allgemeine Projektabläufe. Es war von Anfang an klar, dass die fertigen Einsatzpläne sowohl analog als auch digital zur Verfügung gestellt werden sollen.
Alle örtlichen Feuerwehren erhielten eine genaue Einschulung, um einheitliche Standards über das gesamte Projektgebiet zu garantieren. Anschließend steuerten sie die relevanten Planinhalte durch eigene Erhebungen im Gelände bei. 

Im Rahmen dieser Datenerhebung klassifizierte jede Ortsfeuerwehr auch die Befahrbarkeit der Wege, denn nicht jede Forststraße ist automatisch gefahrlos mit Tanklöschfahrzeugen befahrbar. Weiters wurden die Nutzbarkeit von Gewässern und projektspezifische Infrastruktur wie Umkehrmöglichkeiten, Fahrhindernisse oder Lotsen- und Bereitstellungspunkte erfasst. Die wesentlichen Planinhalte wurden also von den Personen erhoben, die später mit dem Einsatzplan arbeiten sollen. Dadurch entstehen Einsatzpläne „von der Feuerwehr für die Feuerwehr“.

Die Datenerhebung im Gelände wurde mithilfe einer digitalen Arbeitskarte durchgeführt. Alle Funktionalitäten der App standen auch ohne aufrechte Internetverbindung zur Verfügung. Jede Feuerwehr konnte nach Bedarf Benutzer anlegen. So arbeiteten schlussendlich über 300 User an der Arbeitskarte.
Als Datenbasis wurden verschiedene, öffentlich zugängliche Datensätze miteinander verglichen. Letztendlich fiel die Wahl auf das Digitale Landschaftsmodell (DLM) des Bundesamts für Eich- und Vermessungswesen (BEV), das um weitere Datensätze ergänzt wurde.
Nach den abgeschlossenen Datenerhebungen durch die Ortsfeuerwehren wurden die eingetragenen Daten durch das Projektteam kontrolliert und gegebenenfalls nachbearbeitet. Ende des vergangenen Jahres wurde ein Erstentwurf der Einsatzpläne erstellt und den Feuerwehren zur Durchsicht bereitgestellt.

Derzeit werden die letzten Änderungen in die Karte übernommen und Details am Kartenbild überarbeitet. Nach Abschluss dieser Arbeiten werden die analogen Kartensätze gedruckt. Neben den Ortsfeuerwehren erhalten betroffene Bezirksfeuerwehrkommandos, Polizei, Rettungsdienste, Bundesheer und Bezirksverwaltungsbehörden einen vollständigen Kartensatz. Die digitalen Daten werden den Blaulichtorganisationen so übermittelt, dass die Daten in die bestehenden Einsatzleitsysteme eingespielt werden können. Die Übergabe der Einsatzpläne ist für Sommer 2024 avisiert.
Alle Arbeitsschritte, beginnend von der Erarbeitung der Planinhalte bis zum fertigen Einsatzplan, wurden durch die im Projektgebiet ansässigen Firmen Forsttechnisches Büro Mayerhofer und mobileGIS.at organisiert und begleitet.
Die jetzt vorhandenen Daten wurden von den Feuerwehren unter großem Zeitaufwand erhoben. Eine laufende Aktualisierung dieser Daten ist im aktuellen Projekt nicht vorgesehen, wäre jedoch aus Sicht der Einsatzorganisationen wünschenswert. 

ZAHLEN & FAKTEN

Projektgebiet

  • 108 Gemeinden
  • 277 Katastralgemeinden
  • 288.000 ha Projektgebiet
  • 181.000 ha Waldfläche

Beteiligte 

  • 7 Förderwerber
  • 212 Feuerwehren, Flugdienst
  • Bezirkspolizeikommandos, Landesleitzentrale
  • Rettungsdienste, Notruf 144
  • ÖBH Verbindungsoffiziere 
  • Forstbehörden
  • Waldeigentümer

Kartensätze

  • 54 Blattschnitte
  • 300 Auflagen
  • 16.200 Karten

Wegenetz

  • 130.000 Wege 
  • 4.000 neue Wege erhoben
  • 5.500 Wegnamen vergeben
  • 9.700 Umkehrmöglichkeiten/Ausweichen
  • 1.500 Fahrhindernisse (Schranken, Unterführungen…)

Kartenbeschriftung

  • 10.000 Orts- und Riednamen

Projektspezifische Infrastruktur

  • 120 Lotsenpunkte
  • 240 Bereitstellungspunkte
  • 260 Wasseraufnahmestellen
  • 190 Hubschrauberlandeplätze
  • 1.350 Hinweistafeln