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Bundesforste-Vorstand Andreas Gruber begrüßt die Teilnehmer am ÖBf-Forschungstag am Heffterhof in Salzburg © R. Spannlang/Forstzeitung

ÖBf-Forschungstag

Laserscanner statt Spiegelrelaskop?

Ein Artikel von Robert Spannlang | 05.11.2024 - 14:55

„Big Data“: Was in der Vergangenheit nach vielen „Mann“-Stunden mühsamer und kostspieliger Stichproben-Aufnahmearbeit gerade mal für eine Annäherung an die wahren Verhältnisse im Wald gereicht hat, wird mittelfristig von (teil-)autonom agierender Technologie quasi als Vollaufnahme erhoben und droht uns wie eine Datenlawine zu überrollen. Diesen Eindruck konnte man am Forschungstag der Bundesforste gewinnen, der am 2. Oktober in Salzburg über die Bühne ging. Weitere thematische Highlights waren Technologien zum Erkennen der physiologischen Eigenschaften von Forstpflanzen, Sicherheitstrainings mit Extended Reality-Methoden sowie künftige Einsatzbereiche von Robotern und selbstfahrenden Holzerntemaschinen im Wald.

Osttirol zeigt‘s vor

Um die Bildung eines Vorwaldes auf ihren kalamitätsbedingten Kahlflächen zu beschleunigen, nutzten Osttirol Forstverantwortliche im schwer oder unzugänglichen Gelände die Drohne als Medium zur Ausbringung von Samen der Pionierbaumarten Vogelbeere und Birke sowie bestandesbildenden Baumarten Lärche und Kiefer. Um Samen zu schützen, die Keimrate zu erhöhen und das Gewicht zur besseren Verteilwirkung anzugleichen, griff das Team vom Drohnenring zu einer Pelletierung – einer Art Umhüllung von Samenpaketen mit Tonmineralien. Insgesamt seien Monate davor fünf Gebiete in Osttirol ausgewählt worden. Der Streudrohnenflug sei dann bei geeigneter Schneelage erfolgt, um überprüfen zu können, wie gleichmäßig das Streuergebnis war, erklärte Stefan Hölzl-Strohmayr vom Drohnenring. Die ausgewählte Lastendrohne mit 30 kg Nutzlast, wie sie schon seit Jahren in der Landwirtschaft zum Einsatz kommt, konnte auf diese Weise bis zu 50 ha während eines 25-minütigen Fluges bestreuen, so der Drohnenexperte. Derzeit laufen die Untersuchungen zu Keimraten auf unterschiedlichen Untergründen und Expositionen.

Abkürzung zur Trockenresistenz

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Über Selektionsmöglichkeiten bei Saatgut referierte Marcela van Loo vom BFW © Robert Spannlang 

Die Methode der Phänotypisierung, mit der man begehrte trockenresistente Herkünfte einer Baumart bereits an kleinen Forstpflänzchen feststellen kann, stellte Dr. Marcela van Loo vor. Die genaue Erhebung des Erscheinungsbildes von Pflanzen erfolgt in einer raumfüllenden Anlage am Wiener BioCenter mit 3D-, RGB-, Wärmebild-, Hyperspektral- und Chlorophyll-Fluoreszenz-Kameras in einer klimatisch hoch kontrollierten Umgebung. Jeder Sämling werde bei jedem Messdurchlauf gewogen und bekomme – je nach Gewicht und zugewiesenem Klimaszenario – unterschiedlich viel Wasser zugeführt. Danach zeige sich in der Klimakammer, wie es damit unter den jeweiligen Klimabedingungen zurechtkomme, führte die Wissenschaftlerin aus.

Roboterhunde im Wald

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© Robert Spannlang 

Im Rahmen des DigiForest-Projekts erkundet ein internationales Forscherteam Möglichkeiten, auf einer festgelegten Route sich autonom fortbewegende Roboter hoch aufgelöste Daten auf Baumebene erstellen zu lassen. Nach der auf dieser Basis erfolgten digitalen Auszeige durch Forstleute sollen schließlich unbemannte Holzerntemaschinen automatisch diese ausgezeigten Bäume finden und fällen können. Dabei kommen Liar-Laserscanner zum Einsatz, die auch auf Drohnen, als Rucksäcke oder auf Erntemaschinen durch den Wald getragen werden können, erklärte der Robotiker Stefan Leutenegger von der Technischen Universität München (TUM).

Damit Drohnen auch ohne GPS Bäumen im Wald ausweichen können, wird KI – also ein neuronales Netzwerk – eingesetzt, die speziell auf diese Anwendung hin trainiert ist. Aber auch autonom fliegende Drohnen ohne teure Lidar-Technologie wurden am TUM gebaut. Sie erstellen Infrarot- und Tiefenkarten mit Kameras, die ihnen helfen, auch feineren Ästen auszuweichen und eine vorgegebene Route durch den Wald selbstständig abzufliegen. „Einige der Hauptziele für die Zukunft sind, autonome Drohnen noch schneller durch den Wald fliegen zu lassen, um die Effizienz zu steigern, sowie die verlässliche Extraktion von Parametern wie etwa die Baumart“, betonte der TUM-Wissenschaftler.

Expertenwissen automatisiert

„Ein Baum, der bei uns im Schnitt 120 Jahre lang gewachsen ist, wird von Sägewerksmitarbeitern innerhalb weniger Sekunden bewertet“, zeigte ÖBf-Logistikchef Wolfgang Holzer den Status quo der Qualitätsbestimmung des Rundholzes auf. Um diesen Vorgang etwas zu objektivieren und nachvollziehbarer zu machen, soll im Rahmen des Projekts MeRu eine umfangreiche Datenbank zur Entwicklung eines KI-basierten Systems erstellt werden. Dazu wurden an einer Pilotanlage am ÖBf-Holzlagerplatz in Amstetten 2000 Stämme gescannt, Merkmale wie Risse und Verfärbungen am Stamm von Experten aus der Forstwirtschaft und der Sägeindustrie bewertet und ihre Bewertungen in die selbstlernende Datenbank eingespeist.

„Die Datenbasis für das Training einer KI ist gegeben und stabil. Weiters versuchen wir auch, eine Art Fahrplan in Richtung einer möglichen Eichung festzulegen“, unterstrich Holzer. Unter den Projektpartnern sind bekannte Namen wie Microtec, Felix Tools, das Austrian Institute of Technology sowie das Holztechnikum Kuchl.

Waldinventur – digital und automatisiert

„Die traditionelle Waldinventur ist im Grunde ein sehr arbeits- und kostenintensives Geschäft“, begann Arne Nothdurft, Inhaber der Professur für Waldmonitoring an der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien, seinen Vortrag. Dazu käme noch, dass der Datenfluss mehrfach durchbrochen und die Reproduzierbarkeit eher gering sei. „Dem stehen Laserscanning-Systeme mit 10.000 bis 1 Millionen Messpunkten pro Sekunde im 3D-Raum gegenüber“, erklärte der Institutsleiter. Da sei es schon eher herausfordernd, aus dieser Datenwolke anhand der Stellen mit Punktehäufungen über Cluster-Analysen eine Einzelbaum-Segmentierung vorzunehmen. An einem Probekreis kann jeder Baum aus den ihm zugeordneten Punkten wieder zusammengesetzt und dann nach allen möglichen Kriterien vermessen werden: Baumhöhe, Schaftdurchmesser in einer beliebigen Höhe, Kronenvolumen, Kronenprojektionsfläche bis hin zur Berechnung der energetisch nutzbaren Biomasse. Selbst die Baumartenerkennung könne bei diesem Prozess mit einer sehr hohen Genauigkeit durchgeführt werden.

Eine weitere Anwendung des Laserscannings ist die rasche und systematische Abschätzung von Schadholzmengen nach Sturmereignissen. „Als 2018 das Sturmtief Vaia über das Gail- und das Lesachtal hinwegzog, haben wir gemeinsam mit dem BOKU-Institut für Forsttechnik die Idee geboren, diese digitalen Waldinventur in die Fläche zu bringen. Wir haben also begonnen, aus laserbasierten Inventurdaten die geworfenen Holzvorräte zu schätzen“, stellte Nothdurft fest. Dafür brauche es nicht einmal eine Befliegung. Auf Basis von Messungen an noch stehenden Bestandesteilen kann über Regressions- und stochastische Modelle auf den nun nicht mehr vorhandenen Bestand geschlossen werden. Als Ergebnis standen Schadholzanfallskarten über die betroffenen Gebiete mit dazugehörigen Irrtumswahrscheinlichkeiten.

Auf der Basis terrestrisch erhobener Laserdaten lassen sich auch relativ genau räumliche Abschätzungen der Waldstruktur ableiten – etwa beliebig definierte Durchmesser-klassen im Schutzwald. Diese wiederum „ergeben Hinweise auf Handlungsbedarf in Bezug auf BHD-Verteilung, um die Stabilität des Schutzwaldes zu abzuschätzen“, betonte der Waldinventur-Experte sinngemäß.

Waldmonitoring aus der Luft

Drohnenbasiertes, dreidimensionales Laserscanning (Lidar) weise im Unterschied zum Luftbild und dem Lidar auf Flugzeugen eine sehr hohe Punktedichte auf, womit sich auch Strukturen unterhalb des Kronendaches – etwa Verjüngung – erfassen ließen, führte Phillipp Fanta-Jende vom Austrian Institute of Technology (AIT) aus. Das werde auch dadurch ermöglicht, dass wegen der viel niedrigeren Flughöhe der Drohne permanent auch schräg nach vorne sowie schräg nach hinten gescannt werden kann.

„Ziel ist die automatische Klassifikation von Baum-, Strauch- und Krautschicht. Um eine KI darauf zu trainieren, würde man extrem viele von Forstfachleuten annotierte Daten benötigen. Deshalb werden auch synthetische Trainingsdaten einbezogen“, sagte der AIT-Forscher. Typische Grundmuster von Baumarten wurden mit Daten aus den Ertragstafeln über die Umtriebszeit hinweg extrapoliert, nach bestimmten Kriterien randomisiert und um simulierte Lidar-Scans erweitert. Die Frage sei nun: Wie viele synthetische Bäume verträgt ein Modell, um ausreichende Genauigkeiten zu erreichen? „Das ist letztlich eine Frage der Wirtschaftlichkeit“, bekannte Fanta-Jende. Jedoch: „Für ein KI-Training reicht diese Herangehensweise aus, für eine reale Validierung wäre das Pfusch.“ Es gebe bereits vielversprechende Modellergebnisse, die eine unkomplizierte Ableitung der Schichtung ermöglichen, schloss der Wissenschaftler und endete mit dem Satz: „Derzeit arbeiten wir an einer Wasserstoffdrohne, die in Wien startet, in Salzburg landet und alles dazwischen scannt.“