pro silva Europe

Mischwald ist die Zukunft

Ein Artikel von Philipp Matzku | 18.07.2024 - 07:46
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Am Online-Podium zum Thema Resilienz: Gesche Schifferdecker, Olive Leavy, Markus Lindner, Serena Buscarini sowie Jurij Diaci (v. li.) © Holzkurier.com

„Wir sind keine Philanthropen, meine Familie sollte auch in Zukunft von unserem Wald leben können.“ Dieser bewusst etwas überspitzt formulierte Satz von Olive Leavy soll die Situation beziehungsweise das Dilemma von Waldeigentümern, die sich für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung einsetzen, verdeutlichen. Leavy ist, wie einige der Teilnehmer und Zuhörer des Onlinewebinars „Resilienz von Waldökosystemen durch Biodiversität“ bei Pro Silva organisiert. Dieses europäische Netzwerk setzt sich für eine naturnahe Waldwirtschaft ein, die auf ökologischen Prinzipien basiert. Hauptschwerpunkte sind dabei neben der naturnahen Waldbewirtschaftung der Erhalt der Biodiversität, die ökonomische Rentabilität sowie die soziale Verantwortung des Waldes – also sehr ähnlich zu dem in der DACH-Region verwendeten Nachhaltigkeitsbegriff in der Forstwirtschaft. Das Webinar selbst wurde vom europaweiten Integrate-Netzwerk organisiert, das laut eigener Aussage die „Förderung von integrativem Naturschutz in einer wirklich nachhaltigen bewirtschafteten Forstwirtschaft“ vorantreiben will.

Kompatible Resilienzkonzepte

Marcus Lindner, Head of Resilience Programme am European Forest Institute (EFI) in Bonn/DE, plädierte in seiner Keynote als Reaktion auf den Klimawandel und die zunehmenden Störungsintensitäten, die Resilienz von Wäldern zu stärken – und dies nicht nur im Waldmanagement, sondern entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Bei der Waldresilienz wird zwischen drei kompatiblen Konzepten unterschieden: der ökologischen, der sozial-ökologischen Resilienz sowie der Ingenieursresilienz. Lindner vergleicht die Konzepte mit einem im Boxen üblichen Punchingball. Dieser ist im Gleichgewicht, kommt nach einem Boxschlag aus dem Gleichgewicht, um dann wieder in den ursprünglichen Zustand zurückzukehren. Die ökologische Resilienz (Holling, 1973) sei „die Fähigkeit des Systems, Störungen zu absorbieren, ohne sich zu verändern, sowie die Fähigkeit zur Selbstorganisation und zum Aufbau von Anpassungsfähigkeit“.

Einbringen fremder Baumarten – eine gute Idee?

Aus Lindners Sicht spielt die Biodiversität die entscheidende Rolle bei der Verbesserung der Waldresilienz. Es gebe zahlreiche Studien sowie Interessensgruppen, die für eine Erhöhung von klimaangepassten Mischwäldern und ungleichaltrigen Wäldern plädieren. Ferner habe sich gezeigt, dass frühzeitige und rechtzeitige Durchforstung sowohl die Resilienz des Waldes erhöht als sich auch positiv auf die Biodiversität auswirkt. Vorteilhaft ist weiterhin, Baumarten mit einer unterschiedlichen Wachstumsgeschwindigkeit im gleichen Bestand zu haben. Gerade langsam wachsende Baumarten erhöhen nachweislich die Resilienz des gesamten Gefüges. „Baumarten zu ersetzen oder zu ergänzen, ist relativ einfach. Die Boden- und Wasserqualität kann aber schwer substituiert werden“, stellte Lindner klar. Ein ökologisches System ist auch durch Lernen in der Lage, auf Stressfaktoren zu reagieren. Wesentliche Strukturen und Funktionen müssen aber beibehalten bleiben. Ein reines Zurück auf den Status Quo, wie bei der ökologischen Resilienz, ist nicht möglich, aber nicht unbedingt notwendig. Daraus ergibt sich aus Lindners Sicht die Möglichkeit, auch nicht autochthone und bislang heimische Gattungen in den Baumartenmix einzubringen. „Es macht keinen Sinn, jedem zu empfehlen, Douglasie zu pflanzen, nur weil die Baumart auf den Klimawandel gut reagiert und die Holzindustrie Nadelholz benötigt. Die heutigen Fichtenbestände werden in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren stark zurückgehen.“ Lindner sieht die Gefahr eines Missverhältnisses zwischen einem höheren Mischwaldanteil und dem daraus sich ergebenden Rohstoffangebot. Das Einbringen nicht einheimischer (exotischer) Baumarten erkennt Jurij Diaci, Waldbauprofessor an der Universität Ljubljana, ein hohes Konfliktpotenzial mit Naturschutzorganisationen. „Die lassen uns ja nicht einmal Tests durchführen, ob die Pflanzung der einen oder anderen Baumart sinnvoll ist oder nicht. Wir müssen aber mehr ausprobieren“, kritisierte der Forstexperte. In Frankreich gibt es offenbar Befürchtungen, Baumgesellschaften in den nächsten 50 Jahren komplett austauschen zu müssen.

Vom Totholz bis zum Urwald

Serena Buscarini, Universität Bozen, fordert eine Erhöhung des Totholzanteils in den Wäldern. Die Biodiversität von Flora und Fauna werde durch Totholz massiv gefördert und Totholz sei wesentlich für das Mikrohabitat. Primäre und auch sekundäre Urwälder haben zwar eine hohe Resilienz, sind aber im Vergleich zu naturnah bewirtschafteten Wäldern nicht weniger anfällig für Störfaktoren, auch die mit der größten Biodiversität nicht, betonte Diaci. Er sieht auch wenig Sinn darin, Urwälder zu sehr zu priorisieren – immerhin leben wir in einem vom Menschen geprägten Naturraum, so naturnah er auch sein möge. Biotop- und Habitatbäume seien aber aus forstlicher Sicht zu fördern und soweit möglich im Bestand zu halten. Diese alten Bäume seien genetisch am besten an den Klimawandel angepasst.